Wertermittlung von Fachwerkhäusern / Bewertung von Fachwerkbauten
Die Wertermittlung von Fachwerkhäusern birgt einige besondere Herausforderungen, über die wir an dieser Stelle in Ansätzen berichten wollen.
Aber natürlich haben wir die passenden Lösungsansätze parat.
Bei Liebhaberobjekten – wie diesen Schmuckstücken der Baukunst – kommen zu den rationalen auch noch emotionale Themen hinzu…
(1) Alter des Gebäudes
Historische Fachwerkhäuser sind häufig mehrere Hundert Jahre alt.
Die Bewertungsmodelle, die wir als Sachverständige für Immobilienbewertung nutzen, gehen jedoch von einer Gesamtnutzungsdauer von z.B. 80 Jahren aus.
Damit eröffnet sich eine deutliche Diskrepanz.
Hier kommt den (Kern)Sanierungen und Modernisierungen besondere Bedeutung zu, da diese die sogenannte Restnutzungsdauer maßgeblich beeinflussen.
Für den Sachverständigen bedeutet dies, dass das sog. fiktive Baujahr ermittelt werden muss.
(2) Hauptwerkstoff Holz
Im Laufe der Baugeschichte kamen unterschiedliche Holzarten zum Einsatz. Zu Beginn des Fachwerkbaus konnte man bereits aus der Erfahrung von primitiven Bauwerken schöpfen. Eichenholz, besonders Balken der Stiel- und Traubeneiche, hatten sich als besonders langlebig erwiesen, da diese relativ unempfindlich gegen Schimmel und Schädlinge sind.
Aus Gründen von Verfügbarkeit und Kosten wurden später auch Douglasie, Fichte und Lärche genutzt.
Dies macht in der Beurteilung deutliche Unterschiede aus.
Und natürlich spielen der Pflegezustand sowie die Qualität beim Austausch von alt zu neu eine große Rolle.
(3) Ausfachungen: Lehm(ersatz) & andere Materialien
Als Klassiker gilt Lehm, häufig in Verbindung mit Holzstaken, Stroh oder auch Weidengeflecht. Seltener sind Füllungen mit Natursteinen oder Tonziegeln. Regional existieren allerdings auch dabei große Unterschiede. Meist wurden die Gefache verputzt, nicht immer vertragen sich dabei Füllung und Putz …
Am Übergang von unterschiedlichen Werkstoffen liegen stets die Schwachstellen, da die Materialien anders auf Einflußfaktoren wie Temperaturen und Feuchtigkeit reagieren.
(4) Die Schwelle, der Schweller, der Schwellenkranz …
Der unterste horizontale Balken hat viele Namen, wird aber bei uns in Hessen häufig einfach Schweller genannt. Diesem Balken kommt besonderes Gewicht in der gesamten Holzkonstruktion zu, liegt es (das Gewicht) doch auch auf ihm.
Der Schweller liegt meist auf Bruchstein, manchmal aber auch auf einer anderen Unterkonstruktion auf. Dadurch sollen Sie gegen Feuchteeinwirkung jedweder Art besser geschützt sein. Aber: auch finden wir wieder einen Übergang von Materialien und nicht selten auch kein ableitendes Gefälle.
Ein Austausch des Schwellers ist – aebenso wie bei den anderen Balken – möglich, aber ein aufwändiges Unterfangen.
(5) Auskragungen und andere konstruktive Besonderheiten
Auch im Fachwerkbau ging es nicht nur um stabile Konstruktion und gutes Wohnklima. Je nach Stand des Bauherren sollte das Wohnhaus auch etwas darstellen.
Auskragungen, Erker, Türmchen & Co. zeugen von besonderer Baukunst und müssen als „besondere Bauteile“ Eingang in die Objektbewertung finden. Wir sehen Herstellungsaufwand und Erhaltungszustand. Beides wird adäquat bepreist, um zu einem passenden Wert zu kommen.
(6) Verzierungen
In den Altstädten, die noch von Fachwerkbauten dominiert werden (z.B. im Limburg) lohnt in den engen Gassen ein Blick nach oben. Dort sind viele Verzierungen an den Balken der Fachwerkhäuser zu bewundern.
Ob nun böse Geister vertrieben oder einfach das Bauwerk verschönert werden sollte, diese Kunstwerke verdienen besondere Beachtung.
Sie stellen naturgemäß auch einen erhöhten Instandhaltungsaufwand dar. Und so liegt wieder beim Zustand, ob dieses Detail eher werterhöhend ist oder als künftiger Sanierungsaufwand in Abzug gebracht werden muss.
In diesem Bereich greifen wir auf die Expertise von Kunstschnitzern zurück.
Kratzputz finden wir in einigen Gegenden Hessens als weitere Verschönerung des Erscheinungsbildes.
(7) Fassadenverkleidungen
Die Wetterseite ist bei Fachwerk besonders empfindlich. Und so wurden Schutztechniken entwickelt, um die Fassaden in dieser Ausrichtung besser zu schützen.
In der Wetterau und in der Rhön (und sicher auch andernorts) sieht man häufiger eine Verschindelung mit Holz, manchmal naturbelassen, gelegentlich auch farbig gestrichen.
In vielen Gegenden Hessens wird auch Schiefer verwendet. Das echter Schiefer seinen Preis hat, kamen auch andere Schnittplatten zum Einsatz. Und damit taucht nun auch bei den eigentlich baubiologisch so gesunden Fachwerkbauten auch ein Schadstoff-Thema auf: Asbest und dessen Entsorgung. Dies muss Eingang in die Bewertung finden, da dies von potentiellen Erwerbern immer weniger toleriert wird.
Solange die Hinterlüftung der Fassadenverkleidung gut gemacht ist, leidet die Substanz darunter nicht.
(8) nachträgliche Installationen
Im Laufe der Zeit hielten Wasser, Strom & Heizung Einzug in die historischen Gebäude. Die Installationen wurden häufig zunächst vor der Innenwand ausgeführt, später gern auch in abgestellten Wänden, der Innendämmung oder den Fußleisten versteckt oder aufwändigst im Sichtfachwerk verlegt.
Hier gilt unser besonderes Augenmerk der Ausführung und Fragen wie:
– Liegen evtl. noch Stegleitungen, die in Verbindung mit Holz brandgefährlich sind?
– Hat der Elektriker Lehmkleber zum Befestigen der Steckdosen verwendet oder doch etwa Gips?
…
Die Begutachtungen sind entsprechend zeitintensiver, aber ein genauer (auch mal zweiter und dritter) Blick lohnt sich!
Die Aufzählung ließe sich noch fortführen… Uns ist wichtig, dass es sich bei den historischen Bauten noch mehr um Unikate handelt als bei aktuellen Häusern. Das am häufigsten benutzte Wort auf dieser Seite ist „besonders“ und das sind sie auch. Zeitzeugen der Entwicklung, Liebhaberstücke mit gesundem Wohnklima, von top gepflegt bis fast kaputtsaniert … Egal, ob diese Wohnhäuser, Scheunen und andere Nebengebäude unter Denkmalschutz stehen oder nicht: sie alle tragen zu den ortsprägenden Ansichten bei, die besuchte Orte für uns unvergeßlich machen.
Deshalb ist ihre Erhaltung nicht nur von kulturellen Interesse, sondern auch eine echte Herzensangelegenheit!
Der Verkehrswert muss auch bei einem Liebhaberobjekt so bemessen sein, dass dieser im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erzielbar ist!
Sollte Sie das Thema weitergehend interessieren, empfehlen wir Ihnen einen Artikel, den unsere Gutachterin Bettina Berthes für unseren Partner VIVAT Immobilien geschrieben hat: